Wann endlich kommt ein Signal aus Washington? Das fragt sich der Bundesrat, das fragen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzdepartement und im Wirtschaftsdepartement, das wollen Exponenten der Schweizer Wirtschaft wissen.
«Für die Unternehmen der Schweizer Tech-Industrie ist diese Unsicherheit Gift», sagt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik des Branchenverbandes Swissmem. Er betont: «Solange die Frage der Zölle unbeantwortet bleibt, wird der Abschluss neuer Geschäfte massiv erschwert bis verunmöglicht.»
Kohl spricht für die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie für verwandte Technologiebranchen. Dieser Wirtschaftszweig kommt nach dem Pharmasektor an zweiter Stelle, was das Exportvolumen in die USA anbelangt.
Die Frage ist: 10 Prozent Zoll? Oder 20 bis 30? Am sogenannten Liberation Day, dem 2. April, verkündete Präsident Trump, dass sein Land auf Einfuhren aus der Schweiz fortan einen Zoll von 31 Prozent erhebe. Der Bundesrat war entsetzt, hielt sich mit öffentlicher Kritik aber zurück und intensivierte die Kontakte zur amerikanischen Regierung.
Trump senkte den Zoll auf 10 Prozent, stimmte Verhandlungen mit der Schweiz zu – und der Bundesrat genehmigte am 4. Juli den Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung. Der Deal steht also in den Grundzügen. Nur fehlt bisher die Zustimmung von Donald Trump.
Die Vereinbarung sieht vor, dass der Zoll auf einer Höhe von 10 Prozent bleibt, die Pharmabranche davon weitgehend ausgenommen wird und Schweizer Unternehmen grosse Investitionen in den USA tätigen. Die Vereinbarung enthält weitere Punkte, die noch nicht bekannt sind. Die Erklärung wird erst publiziert, wenn die Unterschriften beider Seiten vorliegen.
Bei den Schweizer Behörden ist eine Anspannung zu spüren, weil Trump seit einer Woche Briefe veröffentlicht. In den Schreiben an verschiedene Länder und an die EU verkündet er hohe Zollsätze und nennt den 1. August als Startdatum.
Der schlimmstmögliche Fall für die Eidgenossenschaft wäre nun: Trump publiziert einen Brief, in dem er einen Zollsatz von deutlich über 10 Prozent verkündet. Es blieben dann nur zwei Wochen, um bis zum 1. August eine Abmilderung auszuhandeln. Dass mehrere Bundesräte und Chefbeamte derzeit in den Ferien weilen, wäre wenig hilfreich.
Wer hingegen optimistisch ist in Bundesbern, verweist darauf, dass Donald Trump seit drei Tagen keine Zollankündigungen mehr publiziert hat. Vielleicht ist es nun vorbei mit den Briefen. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sagte in einem Interview mit dem «SonntagsBlick», dass sie irgendwie den Zugang zu Trump gefunden habe. Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent meinte derweil im Mai: Es sei unglaublich, dass ein Land mit 9 Millionen Einwohnern die siebtgrössten Direktinvestitionen in den USA tätige.
Das könnte bedeuten: Donald Trump stimmt der Absichtserklärung bis zum 1. August zu. Die Erleichterung im Bundesrat und in der Schweizer Wirtschaft wäre gross. Der Zollsatz von 10 Prozent würde weiterhin gelten.
Ist eine Abgabe in dieser Höhe problemlos verkraftbar für Unternehmen, die in die USA exportieren? Jean-Philipp Kohl vom Verband der Tech-Industrie antwortet: «Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt Firmen, die sogar Importzölle von 30 Prozent auf ihre Kunden überwälzen könnten. Und es gibt Unternehmen, die bereits mit dem heute geltenden Zusatzzoll von 10 Prozent vor grossen Schwierigkeiten stehen – insbesondere, wenn es amerikanische Konkurrenten gibt.»
Kohl unterstreicht: Vor dem Amtsantritt von Donald Trump habe es bereits einen Zoll von 2 bis 6 Prozent auf Schweizer Tech-Güter gegeben. Die 10 Prozent seien dann dazugekommen. «Faktisch beträgt der aktuelle Zoll auf die Güter der Schweizer Tech-Industrie zwischen 12 und 16 Prozent.»
Trotzdem: Auf der Schweizer Seite ist man sich weitgehend einig, dass mit einem Basiszoll von 10 Prozent der wirtschaftliche Schaden begrenzt wäre. Warum rührt sich Donald Trump nicht? Warum lässt seine Signatur unter der Absichtserklärung zwischen den USA und der Schweiz weiter auf sich warten?
Am Dienstag twitterte Trump, dass er soeben einen «great deal» mit Indonesien abgeschlossen habe. Die Einzelheiten würden bald vorgestellt.
Indonesien wird den Handelsstreit mit den USA also demnächst beilegen. Und die Schweiz? Das Bangen dauert an. Möglicherweise bis zum 1. August.
Weil die Schweiz so tief in seinem Hintern steckt, dass der Weg zurück halt eine Weile dauert.